





polar #8: Unterm Strich
EDITORIAL
PRÄMIE
PHANTOM
PILLE
SCHÖNHEITEN
Judith Karcher Die Wette Desperado: Tarantino als Seher der Finanzkrise
| Anna Sailer Unterm Strich Werbende Antworten bei der Postbank: Fragen bei Agota Kristof
| Johannes Kleinbeck Tanz auf dem Seil Was soll ich sagen? Werner Herzogs Lebenszeichen
| Christoph Raiser Ausrutscher Höchstleistung ohne Arbeit: Gaston Lagaffe von André Franquin
| Michael Eggers Das Boot Großtat mit Tortenschlacht: Sloterdijk, aufgespießt vom pathos transport Theater
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Franziska SchottmannDer ZeugeDie Wiederkehr des Verdrängten: La Sentinelle von Arnaud Desplechin | Ein junger Mann passiert die deutsch-französische Grenze. Bei der Ausweiskontrolle sieht er sich der zynischen Aggressivität eines Beamten ausgesetzt, der ihn erniedrigt und bedroht. Später wird Mathias Barillet (Emmanuel Salinger), Sohn eines französischen Diplomaten und Student der forensischen Medizin, einen menschlichen Kopf in seinem Gepäck finden, den er nicht mehr loswerden kann noch will. Und ebenso wenig den Beamten: Bleicher, ehemaliger Geheimdienstler, hat einen Bruder zu beerdigen, der im Gulag umkam und dessen Leiche verschollen blieb. Als Phantom einer vergangenen Epoche bringt er die Geschichte in Gang und schiebt Barillet jenen Kopf (tête) unter, der zugleich Zeuge (testis) und Bruchstück (testa) jener säuberlichen Teilung in Ost und West ist, die Roosevelt und Stalin auf einem halben Blatt Papier vollzogen. Sein Vater wachte einst über diese Grenze, Barillet nun über ihre Opfer, die er benennen und beerdigen will. Er obduziert, skalpiert und memoriert diesen Kopf, der selbst aufgebrochen, gehäutet und zerteilt noch im Stück bleibt: Wer ihn besitzt, der wird besessen. Hatte es Antigone immerhin noch mit einem vollständigen Leichnam zu tun, schlägt sich Barillet mit diesem »Ding« (so der Pfarrer) herum, das stumm aber beharrlich die immer wieder gleiche Frage stellt: Wohin ist es gegangen, das Virus Verbrechen – heute, nach dem doppelten Schlussstrich von 1945 und 1989? Barillet bringt diese Frage schließlich ins Krankenzimmer einer Psychatrie, wo er kurz vorm Verdämmern jenen Tatbestand diagnostiziert, der das Leitmotiv des in jeder Hinsicht außergewöhnlichen und in Deutschland kaum beachteten Films La Sentinelle von Arnaud Desplechin ist: »Mein Vater war Diplomat. Ich bin Pathologe.« |

| Kendra Briken Metropole im Kopf Woher Du kommst: Stephan Thomes Roman Grenzgang
| Tim Caspar Boehme Remmidemmi Spaßhaben als Leistungsprinzip: Deichkind zur Arbeitsgesellschaft
| Daniel Loick Der traurige Souverän Anarchistisches Manifest: Spike Jonzes Where the wild things are
| Peter Siller/Stephan Ertner Kein Zeigefinger, nirgends Der Humanist des Punk: Farin Urlaub
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