





polar #13: Aufstand
EDITORIAL
AUSGEBLIEBEN
AUSGELÖST
GEPROBT
SCHÖNHEITEN
Kristin Amme/Silvan Pollozek Hörbare Revolution Jeder darf mitspielen: Das Kunstprojekt #tweetscapes
| Christoph Raiser Der Protest der Mathematiker Gegen eine öffentliche Praxis des privaten Profits: Das Manifest The Cost of Knowledge
| Luisa Banki Immer weiter Operationen am offenen Leben: Philipp Schönthalers Erzählband Nach oben ist das Leben offen
| Thomas Biebricher Müdes Blinzeln Eine scharfsinnige Diagnose vom Mittelmaß: José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen
| Anna-Catharina Gebbers Nicht eins sein Zwei Generationen Protest: Alex Martinis Roe untersucht Genealogien
| Franziska Humphreys Wählt Nein Referendum 1988: Pablo Larraíns No
| Daniel Mützel Occupy ist nicht Die Kunst, mehrere Dinge auf einmal zu sehen: Das Occupy Biennale Projekt
| Anna Sailer Unter einem Banner? Gegen die Geschlossenheit des Wir: Slatan Dudows Kuhle Wampe
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Arnd PollmannBloß keinen AufstandIn der Arena der Unmündigkeit: Kant meets Kubrick | Warum wird der oscarprämierte Sandalenfilm Spartacus (1960), Stanley Kubricks stilbildendes Frühwerk, so selten im Fernsehen gezeigt? Weil er 188 Min. lang ist? Nein, weil der Film, wie der philosophische Illuminationskünstler Immanuel Kant sagen würde, den »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« zeigt. Und wenn man dieses zugleich historische wie zeitlose Unterfangen ernst nimmt, dann kann es blutig zugehen. Sehr, sehr blutig.
Kant hat das freilich nicht bedacht. Vielmehr ging er in seiner berühmten Aufklärungsschrift davon aus, dass sich die anberaumte Vernunftrevolution zunächst nur in den Köpfen der Betroffenen zu vollziehen habe. Er war gar der Auffassung, dass man - bei aller mentalen Befreiung durch erbauliche Lektüre - der weltlichen Obrigkeit gehorchen muss. Zugleich aber hat auch Kant schon gesehen, wo das mentale Problem liegt: »Es ist so bequem, unmündig zu sein.« Anders der Sklave Spartacus (gespielt von einem fast außerirdischen Kirk Douglas). Der Rebell diagnostiziert glasklar: »Wenn ein freier Mensch stirbt, verliert er die Freude am Leben. Wenn ein Sklave stirbt, verliert er den Schmerz«. Und so wird ein bekennender Spartacus-Fan, Karl Marx, sagen: Eben jener Gladiator sei der »wahre Vertreter des römischen Proletariats«. Und die »Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten.«
Spartacus weiß aber auch, dass sein Freiheitskampf so notwendig wie - im Prinzip - aussichtslos ist. Denn nur der eigentliche Vollzug der Kampfhandlungen eröffnet Aussicht auf etwas Lebensglück, nur der eigentliche »Ausgang« aus der Unmündigkeit erfüllt das revolutionäre Herz. Um die Erreichung von Zielen geht es gar nicht. Auch deshalb müssen Spartacus und seine Armee, als sie endlich das rettende Meer erreichen, umkehren, um sich erneut in die Arme des Feindes zu werfen. Dieser Sklavenaufstand endet in der Katastrophe. Darf man sich den sterbenden Sklaven trotzdem als einen glücklichen Menschen vorstellen? Selbst wenn: All die wohlfeilen feuilletonistischen »Empört Euch!«-Aufrufe sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. In der sicheren Schreibstube vergisst man, welche Verantwortung man hier übernimmt; die Verantwortung für ein hundert- oder gar tausendfaches Scheitern.
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| Julia Roth Ausblendung Dekolonisierung und die Dialektik: Susan Buck-Morss Hegel und Haiti
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