





polar #13: Aufstand
EDITORIAL
AUSGEBLIEBEN
Sebastian DörflerAn die ArbeitWarum sich Bartleby selbst abschaffen müsste | Es gibt da diesen Gedanken, der immer dann gedacht wird, wenn man nicht mehr weiter weiß. Wenn jede Handlung ohnehin nur zum Fortbestand des schlechten Ganzen beiträgt, dann sollten wir lieber nichts mehr tun. Denn erst mit uns kommt auch der ganze große Quatsch um uns herum zum Erliegen. Und, so geht der Gedanke in seiner schönen Version weiter, irgendwann stehen wir dann auf und fangen ganz von vorne an, wie nach dem Drücken eines Reset-Knopfs.
Ungefähr so lässt sich die Anziehungskraft der zartesten Verweigerungsformel seit es Protestslogans gibt erklären: »I would prefer not to« - »Ich möchte lieber nicht«. Als vergangenen Herbst in New York ein paar Dutzend Menschen in der Nähe des besetzten Zuccotti Parks zusammen Herman Melvilles Nouvelle »Bartleby, der Schreiber« lasen, ging jedes Mal ein Raunen durch den Saal, als jener Bartleby erst seine Arbeit in einer Kanzlei und darauf auch jede Frage nach seinen Wünschen und Forderungen mit einem leisen »Ich möchte lieber nicht« abwehrte. Hatte Melville in seiner »Geschichte von der Wall Street« nicht als erster beschrieben, wie man sich einem (schon damals) alternativlos scheinenden System verweigert, ohne bessere Vorschläge auf den Tisch legen zu können?
In der Folge sah man immer häufiger Menschen mit »I would prefer not to«-T-Shirts in der Zuccotti-eigenen Bibliothek, ein sympathisierender Verlag hat ein entsprechendes »Total Revolution Bundle« geschnürt, in das es neben Bartleby nur David Graebers Buch »Schulden: Die ersten 5000 Jahre« geschafft hat. Und das obwohl Melville die Konsequenz seiner Verweigerung gleich mitgeliefert hat: Irgendwann wird der apathische Bartleby aus seinem Büro auf die Straße geschmissen. Auch dort gibt er auf die Frage, was er gerne anders hätte, keine Antwort und kommt schließlich wegen Herumlungerns ins Gefängnis, wo er die Nahrungsaufnahme verweigert und stirbt. Bartleby mochte lieber nichts und bekam es. Warum aber dann all die Artikel und Manifeste, in denen Bartlebys totale Verweigerung zur alternativlosen Praxis stilisiert wird? Oder anders: Warum kommt Bartleby gerade jetzt zurück an die Wall Street? [...]
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