Das Online-Magazin zur Zeitschrift | HALBJAHRESMAGAZIN polar






polar #13: Aufstand




EDITORIAL

 
Editorial
Peter Siller, Bertram Keller



AUSGEBLIEBEN

 
Sebastian Dörfler
An die Arbeit
Warum sich Bartleby selbst abschaffen müsste
 
Micha Brumlik
Aufstand nach Nirgendwo
Vom Missverständnis des Politischen
 
Thomas Biebricher/Marina Martinez Mateo
Die Paradoxie des Intellektuellen
Wissenschaft und öffentliche Intervention
 
 

Interview Jodi Dean

»Endlich wieder ›wir‹ sagen«


Jodi Dean ist nicht nur Professorin für Politische Theorie an den Hobart and William Smith Colleges sondern zugleich eine der exponiertesten KapitalismuskritikerInnen in den USA. Zuletzt veröffentlichte sie Democracy and Other Neoliberal Fantasies (2009) und Blog Theory: Feedback and Capture in the Circuits of Drive (2010). Demnächst erscheint ihr neues Buch The Communist Horizon. Robin Celikates und Thomas Biebricher haben nachgefragt: Hat die Rechte die Demokratie wirklich okkupiert? Müssen wir gar KommunistInnen werden? Und auch gleich in die Partei eintreten? Ein Gespräch mit ihr über Demokratie, Occupy und den Kommunismus.

polar: Ihres Erachtens ist die Demokratie so eng mit dem, was Sie ›kommunikativen Kapitalismus‹ nennen, verbunden, dass jeder Versuch seitens der Linken zum Scheitern verurteilt ist, sich diesen Begriff wiederanzueignen, ihm eine radikalere Bedeutung zu geben und ihn von den Wahlregimen repräsentativer Demokratien zu unterscheiden. Das scheint für viele auf der Linken nur schwer akzeptabel.

Jodi Dean
: Es gibt eine Reihe von Gründen, warum ich diese Position vertrete. Erstens handelt es sich bei ›Demokratie‹ nicht mehr um einen Begriff der Kontestation. Rechts und links sind sich in Sachen Demokratie einig und verwenden eine demokratische Rhetorik, um ihre Positionen zu rechtfertigen. George Bush bombardierte alle möglichen Völker rund um die Welt im Namen der Demokratie. Wenn das Demokratie ist, dann handelt es sich nicht um eine Sprache, die die Linke verwenden kann, um egalitäre oder emanzipatorische Potentiale oder Hoffnungen zu formulieren. Ein zweiter Grund, der mit dem ersten zusammenhängt, besteht darin, dass es sich bei der Demokratie quasi um unser Umgebungsklima handelt - sie ist die Luft, die wir atmen, alles wird heute in demokratischen Begriffen formuliert. Und das führt uns zum dritten Grund: Die Rhetorik der Demokratie ist heute besonders stark in Kombination mit jener spezifischen Form des Kapitalismus, die ich als ›kommunikativen Kapitalismus‹ bezeichne, in dem die Ideale der Inklusion und der Partizipation - man muss andere die eigene Stimme hören lassen und seine eigene Meinung kundtun - auch von T-Mobile und Apple verwendet werden. Partizipation ist zur Antwort auf alle Probleme geworden. Wenn das der Fall ist, dann bricht man nicht mit der dominanten Sichtweise, sondern verstärkt sie nur, wenn man sich auf Partizipation beruft. Wenn Regierungen und Unternehmen uns dazu auffordern zu partizipieren, dann kann die Linke mit dem Bezug auf Partizipation und Inklusion dem nichts Signifikantes hinzufügen - denn das haben wir ja bereits. Um einen Bruch herbeizuführen, muss die Linke eine Sprache sprechen, die sich von der unterscheidet, in der wir uns bereits befinden.

polar: Die von Ihnen genannten Gründe für eine Abkehr vom Begriff der Demokratie hören sich primär strategisch oder politisch an. Aber ist es wirklich so, dass mit den radikaleren Demokratievorstellungen auf einer grundlegenden theoretischen Ebene etwas nicht stimmt?

Jodi Dean: Was mit der Demokratievorstellung auch der radikalen Demokrat_innen nicht stimmt, ist, dass sie den Kapitalismus fortbestehen lässt. Die Annahme scheint zu sein, dass das Problem des Kapitalismus entweder verschwinden oder sich selbst lösen wird, wenn wir nur genügend Demokratie haben - und das ist klarerweise falsch. Nehmen wir Ernesto Laclau und Chantal Mouffe: Deren Idee der radikalen Demokratie ist explizit so formuliert, dass Klasse nicht mehr als primäre politische Bestimmung fungiert. In der Tradition der Frankfurter Schule lässt Habermas den Kapitalismus im Rahmen seiner Unterscheidung von System und Lebenswelt unberührt. Dasselbe gilt auch für die Betonung der Zivilgesellschaft, die alle Fragen der Produktionsweise ausklammert. Der theoretische Grund für meine Skepsis besteht also darin, dass die Linke sich von einer Analyse und Kritik des Kapitalismus verabschiedet hat. [...]


 
Julian Bank
Goliath stolpert, David schläft
Aufstand, soziale Bewegungen und Zeitlichkeit
 
Petra Hauffe/Judith Karcher
Der ausbleibende Aufstand
Von der selbstverschuldeten Unmündigkeit in der Finanzkrise
 
Tobias Peter
Nutzlos, sich zu erheben?
Über parasitären Widerstand
 
Arnd Pollmann/Thomas Biebricher/Stefan Huster/Peter Siller
Ist es links? >Negation<
 
Ina Kerner
Leben im Kapitalismus: >Terror, Chillen, Herrenschneider<



AUSGELÖST

 
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Die Gerechtigkeitslücke
Revolte gegen das Ende eines geliehenen Lebens
 
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Eiszeit der Diktaturen
Der Aufstand im »Arabischen Frühling«
 
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Der Verrat
Ägypten nach der Revolution: Ein Bericht aus Kairo
 
Naji al-Baghuri
Am Rande des Abgrunds
Der Wandel Tunesiens: Ein Bericht aus Tunis
 
Michael Lidauer
Revolution von oben?
Myanmar auf Reformkurs
 
Felix Lutz
Zwischen Tea Party und Occupy
Der aufbruchslose Aufstand in den USA
 
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Moralische Auszeit und soziale Revolte
Die gewaltsamen Aufstände in Frankreich und Großbritannien
 
Maja Bächler
Take the Power Back
Aufstände als Kommunikation
 
Kai van Eikels
Der angekommene Aufstand
Etwas zur politischen Bewegung, etwas zur Theorie
 
Markus Dressel
»Lasst uns auch lernen zu regieren«
Der 4. November ’89 und die List der Geschichte
 
Susann Neuenfeldt/Simon Strick
Hallo Rom/Hallo Karthago: >Keiner liegt allein<
 
Marie Schmidt
Mein Halbes Jahr: >Literatur<
Shakespeare – Malabou – Thoreau
 
Christoph Raiser
Mein halbes Jahr: >Musik<
Le Tigre – Codeine – Deichkind
 
Matthias Dell
Mein halbes Jahr: >Film<
Die Tribute von Panem – The Hunger Games – Wir kaufen einen Zoo
 
Anna-Catharina Gebbers
Die Revolution sind wir
Von ein paar Kunstwerken, die Aufstände auslösten



GEPROBT

 
Diedrich Diederichsen
Der Imperativ des Authentischen
»Erfinde Dich halt- und bodenlos neu und verkörpere das so, als wäre das immer schon Deine Natur gewesen!«
 
Nicklas Baschek
Lieber peinlich als authentisch
Occupy und der gemeine Hipster
 
Nikolaus Müller-Schöll
Der geprobte Aufstand
Farce, Spaziergang, Hunger-Show
 
Martin Saar
Bildpolitik: >Ein Nein aus fünf Fingern<



SCHÖNHEITEN

 
Kristin Amme/Silvan Pollozek
Hörbare Revolution
Jeder darf mitspielen: Das Kunstprojekt #tweetscapes
 
Christoph Raiser
Der Protest der Mathematiker
Gegen eine öffentliche Praxis des privaten Profits: Das Manifest The Cost of Knowledge
 
Luisa Banki
Immer weiter
Operationen am offenen Leben: Philipp Schönthalers Erzählband Nach oben ist das Leben offen
 
Thomas Biebricher
Müdes Blinzeln
Eine scharfsinnige Diagnose vom Mittelmaß: José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen
 
Anna-Catharina Gebbers
Nicht eins sein
Zwei Generationen Protest: Alex Martinis Roe untersucht Genealogien
 
Franziska Humphreys
Wählt Nein
Referendum 1988: Pablo Larraíns No
 
Daniel Mützel
Occupy ist nicht
Die Kunst, mehrere Dinge auf einmal zu sehen: Das Occupy Biennale Projekt
 
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Unter einem Banner?
Gegen die Geschlossenheit des Wir: Slatan Dudows Kuhle Wampe
 
Arnd Pollmann
Bloß keinen Aufstand
In der Arena der Unmündigkeit: Kant meets Kubrick
 
Julia Roth
Ausblendung
Dekolonisierung und die Dialektik: Susan Buck-Morss Hegel und Haiti


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