Angst heißt: Nervosität, Ruhelosigkeit. Das hört man dem Song »Testament der Angst« von Blumfelds gleichnamigem Album (2001) an. Die Gitarren schrammeln hektisch, ein bohrender Orgelsound begleitet sie. Dazu singt Jochen Distelmeyer: »Ich hab Angst vor Morgen, ich hab Angst vor heute, ich hab Angst vor gestern, ich hab Angst vor mir […] / Ich hab Angst vor den Dichtern, ich hab Angst vor den Denkern, Angst vor den Dummen, den Werbern und Bankern«. Es ist eine totale Überwältigung durch Angst, die Distelmeyer schildert. Eine Angst, die letztlich auf sich selbst zurückfällt: »Ich hab Angst zu versagen / und zu resignieren / Angst, meine Ängste und den Mut zu verlieren«.
Zwei Dinge werden in der zuletzt zitierten Zeile deutlich: 1. Ängste sind produktiv. 2. Sie sind nicht mit Mutlosigkeit und Resignation gleichzusetzen. Es ist der Moment, in dem die Angst auf sich selbst zurückfällt, an dem ihre Produktivität sichtbar wird: Die Hand, die die Gitarre zupft, die den Stick auf das Becken schlägt. Die Hand, die den Text schreibt. Die Beschreibung der Angst lässt die Angst hervortreten, sie wird manifest. Das Schreiben und Spielen ist ein produktiver Umgang mit der Angst und ein Ansatz zu ihrer Überwindung. Das zeigt sich in der Formulierung der Befürchtung, Angst und Mut zu verlieren. So erscheint Angst hier als Bedingung von Mut. Der Mut, die eigene Angst zum Gegenstand zu machen. Blumfeld beschreiben, dass es kein Leben ohne Angst gibt, sondern nur unterschiedliche Umgangsweisen mit ihr. Das Album eröffnet mit dem Satz »Wo kommen all die grauen Wolken her?« und endet mit dem Hüsch-Cover »Abendlied«, das in seiner betonten Einfachheit eine Überdosis an Beruhigung bietet: »Schmetterling kommt nach Haus / kleiner Bär kommt nach Haus / Känguruh kommt nach Haus / die Lampen leuchten / der Tag ist aus«. Man weiß also genau: Hinter diesem Mut zu Kitsch und Beschaulichkeit lauert Ruhelosigkeit, Nervosität – Angst.