Was ist die Wahrheit der Literatur? Unfaire Frage natürlich. Denn sie setzt viel voraus: Sein, die Wahrheit und die Literatur. Stellt man sie zur Probe an Lookalikes, muss man erst einmal konstatieren: Man hat es mit einem Text zu tun, der gegen diese Begriffe geschrieben ist. Hier geht es nicht ums Sein, sondern ums Scheinen. Eine Handvoll Lookalikes eifert ihren Vorbilder nach und stellt dabei ihre Faszination für diese, aber auch ihre Abweichungen von diesen aus. Anstelle von Wahrheiten, authentischer Selbstinszenierung, geht es also um die Produktion von Differenzen. Dabei gibt sich der Text antiliterarisch: Figurenpsychologie, Handlung und andere Eigenschaften, die von einem Roman sonst so erwartet werden, sind Randaspekte. Lookalikes ist ein Satz aus dem alten Velvet-Underground-Schlager »Candy Says« vorangestellt: »What do you think I'd see / If I could walk away from me?« Er steht für ein literarisches Programm, das keine Antworten verspricht, sondern sich in Selbstbeobachtungen und -befragungen fortbewegt. Diese Fragen entwickeln sich am wissenschaftlichen Diskurs der Cultural Studies - und sie werden als fortlaufende Lektüreprozesse inszeniert. Dabei kommt der Text nie zu Ergebnissen, sondern bringt immer neue Umschreibungen hervor, erweitert das Material und setzt wieder neu an. In metonymischen Bewegungen tastet Lookalikes spiegelnde Oberflächen in Düsseldorf und Salvador da Bahia ab und trifft dabei auch immer wieder auf sich selbst. Beispielsweise wenn eine schreibende Figur namens Thomas Meinecke auftritt. So stellt der Roman auch seine eigene Konstruiertheit aus. Er changiert zwischen Fakt und Fiktion, Wissenschaft und Literatur, Selbst- und Fremdbeschreibung. Was ist also die Wahrheit dieser Literatur? Das Scheinen, die Differenzen, das Anders-Werden, das Erkennen des Fremden im Eigenen, das die Lookalikes im Extrem verfolgen. Das, was einem vor Augen tritt, wenn man sich nur einen Schritt von sich entfernt.