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Franziska HumphreysEltern an der MachtEine Art Selbstrekrutierung: Vom Kinderladen zur crèche parentale |
Wer sich Kinder in seinem Leben wünscht und trotzdem seine berufliche Laufbahn nicht aufgeben will, muss in Zeiten chronischen Kitamangels oft nach Alternativen suchen. Einen Ausweg bieten vermehrt Elterninitiativen, die neue Krippenplätze in selbstverwalteten Einrichtungen schaffen. Doch im Gegensatz zu den bereits in den 1970er Jahren entstandenen Kinderläden, die sich einer gesamtgesellschaftlichen Protestbewegung verschrieben hatten, werden diese neueren Einrichtungen mehr und mehr zu einem Sammelbecken trendiger Ideologien. Auch wenn eine crèche parentale in Frankreich genauso viel kostet wie die staatliche Krippe, so rekrutieren sich die Kinder doch aus einer homogenen Schicht: Ihre Eltern sind gebildet, gut situiert, häufig freiberuflich oder in kreativen Berufen tätig. Hauptgrund hierfür ist sicherlich die große zeitliche Verfügbarkeit, die der Wunsch nach Mitbestimmung voraussetzt. Dabei treibt die neue Teilhabe der Eltern am gesellschaftlichen Leben ihrer Kinder bisweilen merkwürdige Blüten. Wenn auf Elternversammlungen über homöopathische Globuli für Kleinstkinder und Bio-Windeln debattiert wird, dann geht es wohl weniger um Prinzipien mit gesamtgesellschaftlicher Verbindlichkeit als um private Lebensstile, die sich auf der moralisch richtigen Seite wähnen und entsprechend vehement verteidigt werden. Das Bio-Label ist längst zu einem Mittel der bloßen Distinktion geraten.
Gewiss, den Elterninitiativen gebührt Dank dafür, dass sie unter großen Anstrengungen Lösungen für ein Dilemma bieten, für das der Staat nur langsam und fast widerwillig Abhilfe schafft. Und doch kann man nicht umhin, jenen Raum herbeizusehnen, der als dritte Instanz eine wohltuende Trennung zwischen Eltern und Kindern bewirkte - jenen Raum jenseits der Privatsphäre der Familien, der einmal Gesellschaft hieß und allmählich zu einem verächtlichen Anachronismus wird. Wo es früher hieß: Kinder an die Macht tönt es heute: Eltern an die Macht. Doch die Tyrannei elternbestimmter Lebensformen hat ihren Preis, und den zahlen wie immer die Kinder.
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