Thomas Biebricher Kraaaaaah Von Vögeln und Menschen: Pete Docters Oben
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Niklas HenningDreck-an-sichMatter out of Place: Müll bei Mary Douglas und Julia Kristeva |
Dreck ist nichts anderes als »Matter out of Place«. In ihrer vergleichenden Anthropologie der Verunreinigung liefert Mary Douglas 1966 die wohl berühmteste Definition von Unrat. Einem Relativismus strukturalistischer Couleur verschrieben, bestreitet sie die Existenz des Drecks-an-sich. Als Sammelkategorie, die alle Rückstände und Nebenprodukte systematischen Ordnens absorbiert, zeige »Abfall« überhaupt erst das Vorhandensein von »System« auf. 1980 - der Strukturalismus selbst war zum »dirty word« geraten - bestreitet Julia Kristeva ihre psychoanalytische Erörterung der »Powers of Horror«. Die Macht des Niederen, Verwerflichen und Abscheulichen situiert sie ebenfalls an den Schwellen symbolischer Transgression. Menstruationsblut, Exkrement, verwesende Nahrung oder Leichen markieren den Ort, an dem Bedeutung zu kollabieren und physischer Kontakt fest umrissene Grenzen zwischen Subjekt und Objekt zu unterminieren droht. In der Gefährdung von Identität, System, Ordnung und der Missachtung etablierter Grenzen und Regeln gibt sich Ekel als zutiefst soziales Phänomen zu erkennen.
Interpretationen à la Douglas und Kristeva mögen anfechtbar und brüchig geworden sein. Dennoch verkomplizieren sie den Blick auf die vermeintlich selbstverständlichen Abläufe der sozialen Produktion, Distribution und Beseitigung von Abfall. Wie fragil und spannungsreich die sich so entspinnenden Netzwerke und sozialen Formationen sind, zeigt die Debatte um die neuen Mülleimer in der Hamburger Innenstadt - teure Hightech-Apparaturen, die ihren Füllstand via Mobilfunknetz an die Hamburger Stadtreinigung durchgeben und sieben Mal effizienter sind als ein herkömmliches Gerät. Ihre integrierte, solarbetriebene Müllpresse erfordert jedoch einen Verschlussmechanismus, der den Griff ins Innere unmöglich gestaltet. Weshalb die Installation der intelligenten Container unter Verdacht steht, nicht nur den Überschuss öffentlichen Zusammenlebens, sondern auch die Hamburger Flaschensammler beseitigen zu wollen.
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