Bildmedien hängt seit der Antike die Fama des Verführers an - heutzutage allen voran dem Bewegtbild oder der Fotografie. Platon traute den Bildern nicht über den Weg und unterstellte ihnen Gaukelei, Schattenspiele, Betrug und ähnliches - sie waren Abbilder der Abbilder und damit nichtig, aber auch gefährlich in ihrem Potenzial der Blendung und Verführung. In seinem idealen Staat wären sie wohl verboten worden (es sei hier dahingestellt, welche Bilder Platon in seiner Kritik eigentlich meinte). Gleichermaßen wurde ihnen aber auch ein kathartisches Vermögen zugesprochen, in anderen Kontexten wiederum eine abschreckende, aufklärerische und, natürlich, auch eine rein ästhetische Aufgabe zugewiesen. Kurz gesagt, es gibt offenbar kaum etwas, wozu Bilder nicht ›fähig‹ wären.
Die Frage, ob Bilder auch töten können, die Marie-José Mondzain zu ihrem programmatischen Buchtitel (diaphanes 2006) wählte, verweist auf die offenbar anhaltende Tendenz, Bilder als Subjekte, oder wenn man so will, als handlungsfähige Objekte zu betrachten. Auch wenn es heutzutage nicht mehr um einen Glauben an aktive Handlungsmöglichkeiten und in diesem Sinne lebendige Bildwerke geht, so geht es doch weiterhin um die Frage nach der Wirkungsmacht, die bestimmten Bildern zugesprochen wird. Wie ein roter Faden zieht sich diese ambivalente Machtzuweisung nachweislich seit der Antike, doch mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weit vorausweisenden Wurzeln, bis in unser postindustrielles Zeitalter durch - und das trotz aller aufklärerischen Bemühungen, ein solches ›abergläubisches‹, das heißt irrationales Denken auszutreiben. Doch nicht allen Bildern ist die Fähigkeit einer solchen tiefgehenden Wirkung auf die Betrachter eigen, vielmehr bedarf es bestimmter Eigenschaften und Voraussetzungen, um ein Bild zum potenziellen Träger von Macht zu machen.
Bloß ein ›leeres Bild‹ - oder die Macht der Drastik Für das Phänomen der Bildermacht möchte ich ein besonderes Werk heranziehen, das inzwischen fast nur in kunsthistorischen oder religiösen Kontexten Erwähnung findet, ehemals aber zu den wichtigsten, sagenumwobenen und mächtigsten Bildern des christlichen Abendlandes gezählt wurde. [...]
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