Was es heißt, sich zwischen den Orten des Transits aufzuhalten, davon zeugt nicht erst die »Fliehkraft« (Holert/Terkessidis) an den südlichen Rändern des jüngeren Europas, sondern auch historische Eindrücke – wie die eines Oskar Maria Graf, Georg K. Glaser, Artur Streiter, Hans Ostwald, Emil Szittya, die von Wanderung, Reise, Flucht, Emigration und Migration erzählen, die Aufzeichnungen eines nur selten in den Blick geratenen Nomadentums, Dokumente der Vagabondage. Ihre Berichte aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versammelt ein Band, der dokumentiert, was Herausgeber Walter Fähnders die »Epoche der Vagabunden« nennt und, einer »›alternativen‹ Geschichtsschreibung « verpflichtet, als Gegenbild zur Moderne entwirft.
Weitgehend unbekannte oder wieder vergessene Grenzgänger sind es, die hier, weil sie sich andauernd ›vor Grenzen‹ gestellt sehen, die permanente Grenzverletzung, ‑überschreitung, ‑auflösung zu suchen behaupten: »Die Grenzen tilgen: die Nichtachtung und Nichtschützung der Grenzen!«, so die Forderung des ›Vagabundenkönigs‹ Gregor Gog beim Stuttgarter Vagabundenkongress 1929. Darin sind sie aktuell. »Wir sind Propheten«, lautet ein Vers in Hugo Sonnenschein Gedicht ›Ekstatiker‹, und könnte dem Tonfall nach aus einem gegenwärtigen Nachtlebenbericht stammen, der von Berlin, Techno und dem Easyjetset (Tobias Rapp) handelt. In solchen Sätzen zeigt sich – besonders eindringlich in der Krise des Partytourismus und zu Beginn neuer Arbeitsmigrationsbewegungen – eine Haltung, in der sich das Pathos der Entgrenzung mit Omnipontenzgehabe paart, und hinter denen doch in Beschreibungen von Armut, Verfall und Einsamkeit andere Seiten des gesellschaftlichen Außenseitertums hervorschauen. Mit dem Blick auf die gelebten Leben von morgen wie von gestern möchte man dazu Fortsetzungsgeschichten lesen und erfahren, wie es weiterging mit dem Vagabundenleben, nachdem den historischen Grenzgängen spätestens mit dem 2. Weltkrieg ein Ende bereitet war. |