





polar #13: Aufstand
EDITORIAL
AUSGEBLIEBEN
AUSGELÖST
GEPROBT
SCHÖNHEITEN
Kristin Amme/Silvan Pollozek Hörbare Revolution Jeder darf mitspielen: Das Kunstprojekt #tweetscapes
| Christoph Raiser Der Protest der Mathematiker Gegen eine öffentliche Praxis des privaten Profits: Das Manifest The Cost of Knowledge
| Luisa Banki Immer weiter Operationen am offenen Leben: Philipp Schönthalers Erzählband Nach oben ist das Leben offen
| Thomas Biebricher Müdes Blinzeln Eine scharfsinnige Diagnose vom Mittelmaß: José Ortega y Gassets Der Aufstand der Massen
| Anna-Catharina Gebbers Nicht eins sein Zwei Generationen Protest: Alex Martinis Roe untersucht Genealogien
| Franziska Humphreys Wählt Nein Referendum 1988: Pablo Larraíns No
| Daniel Mützel Occupy ist nicht Die Kunst, mehrere Dinge auf einmal zu sehen: Das Occupy Biennale Projekt
| Anna Sailer Unter einem Banner? Gegen die Geschlossenheit des Wir: Slatan Dudows Kuhle Wampe
| Arnd Pollmann Bloß keinen Aufstand In der Arena der Unmündigkeit: Kant meets Kubrick
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Julia RothAusblendungDekolonisierung und die Dialektik: Susan Buck-Morss Hegel und Haiti | Hegels Dialektik von Herr und Knecht als Modell des europäischen Klassenkampfes zu lesen ist anachronistisch. Vielmehr entstand Hegels Modell, der einen der zentralen Punkte in seiner Philosophie und in der Phänomenologie des Geistes darstellt, unter dem Eindruck des Sklavenaufstands von Haiti 1791. Unter dieser Prämisse enthüllt Susan Buck-Morss eine Rezeptionsgeschichte der Ausblendung. Sie durchbricht die vorherrschende Sicht auf Haiti als Opfer Europas und öffnet eine Perspektive der Karibikinsel als »Akteur, der bei der Konstruktion Europas eine Rolle gespielt hat.« Sie rückt ins Blickfeld, dass die so genannte, in Europa situierte »Moderne« strukturell auf der massiven Ausbeutung von Ressourcen und versklavten Arbeitskräften in den Kolonien basierte. Auf Robert Bernasconis Kritik an Hegel rekurrierend spart Buck-Morss nicht aus, dass Hegels Geschichtsphilosophie eine »einflussreiche Rechtfertigung« für die spätere Ausbeutung Afrikas bereit stellte. Die Revolution auf Haiti hingegen liest Buck-Morss als eine Art »Avantgarde der Moderne.« Die kanonischen Denker sind ihrer Ansicht nach nicht notwendig die besseren Analytiker: »Anstatt kollektive Weisheit als ein Produkt kultureller Dominanz zu erklären, sollte man sich vor Augen führen, dass das Verhältnis der beiden Variablen genau umgekehrt sein könnte: Je größer die Macht ist, die eine Zivilisation über die Welt ausübt, desto unfähiger sind möglicherweise ihre Denker, die Naivität ihrer eigenen Überzeugungen zu erkennen,« schlussfolgert sie, »Die Menschheit kann es besser.«
Entsprechend kritisiert Buck-Morss kritische theoretische Praktiken als gefangen im »Gefängnis akademischer Diskurse« und fragt, wo kritische Intellektuelle heute ansetzen können, ohne sich auf die reine Anerkennung von »Vielfalt« und »multiplen Modernen« zu beschränken. Dazu gehört die kritische Reflektion einer okzidentalen privilegierten Mitgliedschaft des »Monopols auf die Menschlichkeit«, das eigene Kriege als gerechten Kampf rechtfertigt, die man anderen strukturell verwehrt. Ein Must-Read für alle, die auf der Suche nach Möglichkeiten transnationaler solidarischer Allianzen jenseits etablierter Ungleichheiten sind.
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