





polar #13: Aufstand
EDITORIAL
AUSGEBLIEBEN
AUSGELÖST
Tasos Telloglou Die Gerechtigkeitslücke Revolte gegen das Ende eines geliehenen Lebens
| Stephan Rosiny Eiszeit der Diktaturen Der Aufstand im »Arabischen Frühling«
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Hany DarwishDer VerratÄgypten nach der Revolution: Ein Bericht aus Kairo | 55 Millionen Ägypter durften im Juni zum ersten Mal einen Präsidenten wählen, und dennoch spricht aus ihren Gesichtern allenthalben Bedrückung. Eineinhalb Jahre nach einer Revolution, die die Welt begeistert hat, war einem, als höre man Ex-Präsident Mubarak in seiner Zelle laut auflachen und seinen berühmten Satz rufen: »Ich oder das Chaos!« Die beiden übriggebliebenen Kandidaten für das höchste Amt im Staate waren ein Produkt eben jener Politik, die die Revolution zu Fall bringen wollte: Ein alter tyrannischer Sicherheitsstaat mit zivilem Anstrich hier und ein neuer tyrannischer Religionsstaat dort traten gegeneinander an. Gerade so, als ob über tausend Tote und zehntausende Gefangene und Verwundete kein angemessener Preis für die Freiheit gewesen seien.
Die überwältigenden achtzehn Tage vom Tahrir-Platz waren ein Traum. Doch es scheint, als hätte die Revolution mit den eindrucksvollen Szenen des Massenprotests ihren symbolischen Wert bereits aufgebraucht. Die müde gewordenen Massen konnten ihre revolutionäre Forderung nicht ausreichend verankern, und so löste das kurze Statement von Geheimdienstchef Omar Suleiman, in dem er die Machtübergabe von Mubarak an seine Militärs verkündete, Jubel bei den Massen aus und bewog sie, wieder nach Hause zu gehen. Aber sie hatten nicht recht auf seine Worte geachtet. Diese legitimierten einen Militärputsch, der sich seinerseits einen gesetzlichen Status gab und die Revolution zu einem juristischen Labyrinth deformierte.
Hinter den Kulissen Hatten sich die Massen einem verfrühten Siegesgefühl hingegeben? Oder wären sie bereit gewesen, den Preis auch unter den Ketten ägyptischer Militärpanzer zu zahlen? Tatsächlich hätte bis zum 12. Februar 2011 niemand geglaubt, die Armee würde ein Komplott zur Machtübernahme vorbereiten. Die Armee war in der Vorstellungswelt der Ägypter, selbst der Elite unter ihnen, eine patriotische Streitmacht, die vor 60 Jahren die Unabhängigkeit erstritten und die Identitätskriege mit Israel geführt hatte. Sie war eine Volksarmee mit allgemeiner Wehrpflicht. Daher konnten die Protestierenden vom Tahrir-Platz kaum mitansehen, dass Panzerfahrzeuge der Armee von Revolutionären in Brand gesetzt wurden, als am 28. Januar das Innenministerium gestürmt wurde. Die Tränen einiger Soldaten, die sich geweigert hatten, auf Demonstranten zu schießen, genügten als Beweis dafür, dass diese Armee auf Seiten des Volkes stand. Nur wenige wussten, dass führende Köpfe von Armee und Geheimdienst hinter den Kulissen den Islamistenchefs auftrugen, den Sturm abzufedern und die amorphe Masse der am Tahrir Demonstrierenden nach Hause zu schicken. Mubarak hatte immerhin Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Die Anonymität der Masse, die von keinem politischen Anführer gesteuert wurde, war in den ersten Tagen ein Erfolgsfaktor für die Revolution. In allen späteren Phasen trug sie zu ihrer Niederlage bei. [...]
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GEPROBT
SCHÖNHEITEN
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