





polar #13: Aufstand
EDITORIAL
AUSGEBLIEBEN
AUSGELÖST
Tasos Telloglou Die Gerechtigkeitslücke Revolte gegen das Ende eines geliehenen Lebens
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Stephan RosinyEiszeit der DiktaturenDer Aufstand im »Arabischen Frühling« | Eine Mischung aus Demütigung, Ohnmacht und Wut trieb am 17. Dezember 2010 den Gemüsehändler Mohammed Bouazizi zu seiner öffentlichen Selbstverbrennung in der tunesischen Provinzstadt Sidi Bouzid. Eine Marktinspektorin hatte seinen nicht lizensierten Verkaufswagen beschlagnahmt und ihm damit seine prekäre Verdienstgrundlage entzogen. Etwa zeitgleich veröffentlichte WikiLeaks amerikanische Botschaftsdepeschen, die die Korruption und Raffgier der tunesischen Präsidentenfamilie beschrieben. Die Enthüllungen verdeutlichten ein Grunddilemma nahöstlicher Politik: die massive Entfremdung zwischen den autoritären Herrschern und den von ihnen Regierten.
In den folgenden Tagen kam es zu Kundgebungen, die schnell die Hauptstadt Tunis erreichten. Von Sicherheitskräften getötete Teilnehmer wurden zu den betrauerten »Märtyrern« folgender Proteste. Im arabischen Nachrichtenkanal al-Jazeera, der sich zum Mobilisierungsmedium des Arabischen Frühlings entwickeln sollte, erschienen mit Handy-Kameras aufgenommene Filme der Selbstverbrennung und anschließender Demonstrationen. Von Januar bis März 2011 kam es in fast allen arabischen Ländern zu Protesten und Aufständen.
Deren weitgehende Führungslosigkeit und die breite Solidarisierung überraschten und überrumpelten die Regime zunächst. Die gewaltsame Repression - es kamen Tausende unbewaffnete Menschen ums Leben - und die Mobilisierung quer durch alle sozialen Schichten verlieh den Protestierenden eine moralische Legitimität, die den repressiven Regimen immer mehr abhandenkam. Die Mauer des Schweigens über Machtmissbrauch und die Angst vor staatlicher Repression brachen in sich zusammen. In weniger als zwei Monaten stürzten zwei der stabilsten Autokraten des Nahen Ostens, Zine el-Abidin Ben Ali in Tunesien (14.1.2011) und Hosni Mubarak in Ägypten (11.2.).
Die Hoffnung, die autoritären Regime würden nun wie in einem Domino fallen, bewahrheitete sich allerdings nicht. Nach der ersten Überraschung kehrten sie zu ihren bewährten Instrumente der Herrschaftsstabilisierung zurück: Sie kamen den Forderungen der Demonstranten partiell entgegen, etwa indem sie unbeliebte Minister oder Regierungen als Sündenböcke austauschten oder kosmetische Verfassungsreformen durchführten. Sie nahmen Subventionskürzungen auf Grundnahrungsmittel und Energieträger zurück, um den dramatischen Preisanstieg abzufedern, schufen Arbeitsplätze in der Bürokratie und im Sicherheitsapparat, erhöhten Löhne und verteilten Wohltaten. Den reichen Ölstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) gelang damit eine präventive Befriedung. Saudi-Arabien und Katar kamen den bedrohten Regimen in Bahrain, Oman, Marokko und Jordanien finanziell, in Bahrain auch militärisch zu Hilfe. [...]
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GEPROBT
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