





polar #12: Eine für alle
EDITORIAL
VERSAMMLUNG
ZERSPLITTERUNG
UMGEHUNG
SCHÖNHEITEN
Christian Frühm American Dystopia Goddamn City: Dämonische Städte in der amerikanischen Literatur
| Anna-Catharina Gebbers Tonspuren Gegen das Vergessen: Memory Loops von Michaela Melián
| Leo Lencsés Nackte Stadt Schlecht ausgeleuchtet: Christopher Wools Künstlerbuch East Broadway Breakdown
| Jan Engelmann Gangster’s Paradise Raumausstatter im großen Haus: Die TV-Serie The Wire
| Christoph Raiser Reizüberflutung Trost für die Unverstandenen: Georg Simmels Die Großstädte und das Geistesleben
| Julia Roth Kein Platz Stadt als Spiegel: Tatjana Turanskyjs Eine flexible Frau
| Jörg Schaub Schön und unverzichtbar Ewige Wiederkehr des Allerneusten: Walter Benjamins Passagen-Werk
| Franziska Humphreys-Schottmann Raumschlacht Die Stadt der Städte: Fritz Langs architektonische Utopien in Metropolis
| Anna Sailer Santa Monica Pier Erinnerungsraum Los Angeles und Berlin: Christa Wolfs Stadt der Engel oder The overcoat of Dr. Freud
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Kerstin CarlstedtMüll und Menschen12 Schicksale: Megacities – Michael Glawoggers Geschichten vom Überleben | Verblüffend, dass dieser Film realisiert werden konnte. Normalerweise funktioniert ein Dokumentarfilm nur, wenn die Anzahl der Protagonisten überschaubar bleibt. Ein Exposé, das vorsieht, in 90 Minuten 12 Schicksale zu erzählen, würde den Machern normalerweise von Redakteuren und Produzenten um die Ohren gehauen. Zu oberflächlich, zu beliebig. Auch mangelt es Megacities an Struktur. Willkürlich hüpft der österreichische Dokumentarfilmer Michael Glawogger zwischen New York, Mumbai, Mexico City und Moskau hin und her. Überall sieht es ähnlich aus: Menschengewusel, Müll, unglaubliche Armut, Kleinkriminalität. Es bleibt unklar, warum die Auswahl auf diese vier Städte fiel und Glawogger den ärmsten Kontinent von allen, Afrika, aussparte.
Glawogger verlässt sich ganz auf seine Bilder und lässt die Menschen erzählen. Er verzichtet dabei auf die Allwisser-Stimme aus dem Off. Die Reise beginnt in Mumbai, zeigt Leute, die in offenen Zügen fahren, und solche, die direkt neben diesen Zügen leben und ihrer Arbeit nachgehen. Sie schneiden panisch zappelnden Ziegen und Hühnern die Halsschlagadern durch oder nähen Hemden, die später vielleicht bei Kik und Lidl in den Regalen liegen werden. Nichts erinnert an die kitschige, heile Welt der epischen Bollywood-Streifen, die hier in der Nähe produziert werden. Besonders berührend ist der Alte, der, selbst von oben bis unten blau, blaues Pulver durch ein Sieb schüttelt. Er ist traurig und erschöpft. Er sagt, er kann nicht in sein Dorf zurückkehren. Das würde mehr Geld kosten, als er hat. Er arbeitet viel, isst unregelmäßig. Stattdessen atmet er viel Staub ein. Dann siebt er gelbes Pulver. Trotz der formalen Kritikpunkte ist dem Filmemacher mit Megacities vieles gelungen. Vier Nominierungen auf internationalen Filmfestivals und ein Filmpreis in der Heimat, auf dem Wiener Filmfestival, zeugen davon. Kollege Detlev Buck stellt zutreffend fest: »Exzellenter Regisseur und ein Meisterwerk für mich. Da merkt man doch, dass Berlin nur kleine, schöne Provinz ist…« |
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