





polar #10: Endlich
EDITORIAL
UNBEGREIFLICH
UNENDLICH
UNHEIMLICH
SCHÖNHEITEN
Luisa Banki Elementares Zwischen Leben und Sterben: W. G. Sebalds Nach der Natur
| Lars-Olav Beier Trommelfeuer Tod im Kino: Das Ende von Bonnie und Clyde
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Michael EggersPapi aus FiberglasEcht, aber irgendwie falsch: Ron Muecks Dead Dad | Der tote Vater ist 102 cm lang, 38 cm breit und 20 cm hoch. Er liegt auf dem Rücken, nackt, in steifer, unnatürlicher Haltung, mit eingefallenen Augen: erkennbar eine Leiche. Allerdings aus Kunststoff. Der Künstler, Ron Mueck, hat jahrelang Puppen für die Muppet-Show und die Sesamstraße hergestellt, bevor er Mitte der neunziger Jahre radikal realistisch wurde. Es geht Mueck um den Blick auf echte Menschen, perspektivisch verschoben durch einen falschen Maßstab. Dead Dad ist eine der ersten dieser Arbeiten, sie war 1997 Teil der legendären Young British Artists-Ausstellung in London, die auch für Damien Hirst den Karrieresprung bedeutete.
Steht man vor Dead Dad, dann beschleichen einen seltsam zwiespältige Gefühle. Der Tote wirkt lustig, ja geradezu niedlich in seiner Kleinheit. Zugleich ist er unheimlich, denn er sieht tatsächlich absolut echt aus, bis aufs Haar. Und im Wissen, dass hier ein Sohn seinen Vater in aller Nacktheit, Pore um Pore abgebildet und dafür sogar eigene Haare verwendet hat, bekommt man auch die vage Ahnung eines Gefühls von Zärtlichkeit und Trauer gegenüber dem Verstorbenen. Der Tote wird für die Nachwelt bewahrt und ihr doch gleichzeitig um einen entscheidenden Schritt entrückt, nämlich um die etwa vierzigprozentige Maßstabsverkleinerung. So entsteht der Eindruck einer Aura, wie Walter Benjamin sie beschreibt: als »einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag«. Denn Mueck, der meisterhafte Erfinder von Muppets und Monstern, macht Unikate.
Dabei ist sein Schritt von den animierten, comic- und karikaturhaften Puppen und den späteren Animatronics zur hyperrealistischen Kunst nicht so groß, wie er scheint. Beide Stile imitieren Leben, mit allen technischen Finessen und bis zur Perfektion. Das ermöglicht aber, in diesem Fall, auch einen besonderen, ungeschönten Blick auf den Tod und eine durchaus ambivalente Trauerarbeit: Der akribisch gefertigte Vater wird genauso gewürdigt wie aus- und bloßgestellt. |

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