





polar #10: Endlich
EDITORIAL
UNBEGREIFLICH
UNENDLICH
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SCHÖNHEITEN
Luisa Banki Elementares Zwischen Leben und Sterben: W. G. Sebalds Nach der Natur
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Lars-Olav BeierTrommelfeuerTod im Kino: Das Ende von Bonnie und Clyde | Es war ein Tod, wie ihn das Kino noch nicht erlebt hatte, so brutal und schön wie keiner zuvor. Am Ende des Films Bonnie und Clyde werden die Helden nicht bloß erschossen. Sie werden durchbohrt und zerfetzt, in Zeitlupe und Großaufnahme, in einem minutenlangen Overkill. Am 23. Mai 1934 waren die realen Vorbilder der beiden Gangster, Bonnie Parker und Clyde Barrow, in Louisiana von Polizisten in einen Hinterhalt gelockt und getötet worden. 33 Jahre später wurden sie in Arthur Penns Filmklassiker zu Volkshelden stilisiert, mitten im Staub inszenierte der Regisseur ein grandioses Ballett des Todes.
Bonnie und Clyde sind Idole ihrer Zeit, weil sie die Ausbeuter ausbeuten. Die beiden stehen auf der Seite der kleinen Leute, und deshalb halten sie auch im Mai 1934 auf einer Landstraße an, als ihnen ein Mann zuwinkt, der offenbar eine Autopanne hat. Clyde steigt aus und geht zu ihm hin; Bonnie bleibt im Wagen sitzen. Da stiebt ein Vogelschwarm hoch, Clyde wendet den Blick, Bonnie schaut zum Himmel hoch, der Mann wirft sich zu Boden – und noch bevor der erste Schuss fällt, jagen die Bilder mit der Frequenz eines Trommelfeuers über die Leinwand. Groß: das Gesicht von Clyde, noch größer: das Gesicht von Bonnie, ein letzter, verzweifelter Blickwechsel, Schuss, Gegenschuss, dann beginnt das Sterben. Clyde will zu Bonnie laufen, will sie berühren, ein letztes Mal, da schlagen die ersten Kugeln ein. Zeitlupe setzt ein und lässt ihn zu Boden stürzen wie einen frisch gefällten Baum, der Schwerkraft widerstehend bis zum letzten Moment. Bonnies Körper zuckt, von zahllosen Geschossen getroffen, als würden alle ihre Nerven gleichzeitig Impulse abfeuern, es wirkt eine gewaltige Explosion von Leben im Augenblick des Todes. Schließlich kommt Clydes Körper im Staub der Straße zur Ruhe, Bonnies Arme hängen leblos aus der Autotür. Die Totale zeigt: Sie haben es es nicht mehr geschafft, sie liegen einige Meter von einander entfernt. Das Paar Bonnie und Clyde, im Verbrechen unzertrennlich, ist nicht im Tode vereint. Diese Todesszene machte aus zwei brutalen Gangstern tragische Sozialrebellen. Bonnie und Clyde, die Helden von Arthur Penns Film, waren die letzten Opfer der Großen Depression von 1929 und die ersten Opfer der Großen Rebellion von 1968. |

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